Goethe

Goethe: "Das Märchen"
als politische Utopie

von Simon Hollendung

2.4. Entstehungsart des Märchens

Durch die enge Zusammenarbeit von Goethe und Schiller und durch ihre Korrespondenz ist einiges über die Entstehung des Märchens bekannt. Paul Pochhammer zeigt anhand eines Briefwechsels von August und September 1795, dass Goethe Das Märchen in zwei Teilen geschrieben hat, die eigentlich auch getrennt gedruckt werden sollten. Der zweite Teil wurde erst geschrieben, als Friedrich und Lotte Schiller den ersten bereits eingesehen hatten. Er ist kürzer ausgefallen als von Goethe erwartet und aufgrund der schnellen Produktion war Goethe in Sorge, ob sich eventuelle Brüche in der semantischen Kohärenz von Anfang und Ende eingeschlichen haben.[9]
Nach Pochhammer haben sich zwei solcher Unstimmigkeiten eingeschlichen und die Schuldige dafür, dass diese nicht behoben wurden, sei auch gefunden: "Frau Schiller hätte den Dichter auf diese Sachlage aufmerksam machen sollen, die sich nur aus der Entstehungsweise der Dichtung und ihrer raschen Drucklegung erklärt."[10]

[9] Vgl.: Pochhammer, Paul: Goethes Märchen, in: Goethe-Jahrbuch 25 (1904), S. 116-127.

[10] Ebd., S. 117. Als Unstimmigkeit sieht Pochhammer die Fließrichtung des Flusses und die darauf folgende Gruppierung von Schlange, Brückenpfeiler, Fährhaus und Tempel, die innerhalb der Erzählung wechsele und nicht zueinander passe. Auch das die Lampe am Anfang mit der Fähigkeit, alle Metalle zu vernichten ausgestattet wird, diese am Ende aber nicht nutzt, sondern die Zerstörung von Schloß und Riegel der Tempeltore den Irrlichtern überlässt, könne als Flüchtigkeitsfehler angesehen werden (allerdings wird auch die Möglichkeit der Absicht nicht ausgeschlossen, da die Irrlichter als literarische Vorläufer der Französischen Revolution eine geschichtliche Funktion haben, die neue Zeit anbrechen zu lassen).
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